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Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig im Grassi [2050]
Stiftung Stadtmuseum Berlin (Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig CC BY)
Herkunft/Rechte: Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig / Oliver Ziebe, Berlin (2020) (CC BY)
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Christian Ernst Kleemeyer, Bodenstanduhr mit Flötenwerk und Vase, um 1795/1797, Inv. Nr. 2050

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Beschreibung

Das ungewöhnliche und repräsentative Möbelstück birgt in seinem Inneren neben einem normalen Uhrwerk auch ein Flötenspielmechanismus des Berliner Uhrmachers Christian Ernst Kleemeyer. In seiner Berliner Manufaktur bot er vielfältige Uhrenkästen an, deren baukastenartig vorproduzierte Einzelbestandteile nach Kundenwunsch kombiniert werden konnten. Je nach finanziellem Rahmen wurden sie mit mehr oder weniger kostbaren Materialien dekoriert und mit den entsprechenden Uhr- und Spielwerken ausgestattet.
Das mit edlem Mahagoniholz furnierte Gehäuse besteht aus drei Teilen: dem hohen quaderförmigen Sockel, Vasenaufsatz sowie Deckel. Das Postament (H: 100 cm; B: 82 cm; T: 62,2 cm) ruht auf einem abgestuften Podest, das von einer Palmettleiste aus vergoldetem Messing eingefasst ist. Alle vier Füllungen im Sockel lassen sich abnehmen, um an den darin befindlichen Spielwerksmechanismus zu gelangen. Die seitlichen sind mit erneuertem rotem Stoff bespannt, die Front wird geziert durch Appliken in vergoldetem Gelbguss: seitlich zwei blumenkorbtragende Karyatiden, dazwischen ein Rauchgefäß mit schlangenumwundenem Fuß, als oberer Abschluss ein Pinienzapfen mit zwei symmetrisch angeordneten Akanthusblättern, verbunden durch eine Blumengirlande. Diese Dekoration geht zurück auf zeittypische französische Entwürfe für Wandgestaltungen aus den 1770/80er Jahren, die als Ornamentstiche weit verbreitet waren und den Kunsthandwerkern als Vorbild dienten. Das Füllungsbrett dieser vorderen Klappe weist an allen vier Rändern kleine Löcher in regelmäßigem Abstand auf, möglicherweise für eine ehemals dort befestigte Zierleiste (Reste im Depot) – ähnlich der noch erhaltenen mit Perlstab unterhalb der Postament-Abdeckung. Im oberen Rahmen befinden sich Schlüsselloch und Schloss; eine zweite noch vorhandene Schlüssellochapplikation von einem der Seitenteile wird im Depot verwahrt. Derzeit nicht am Gehäuse fixiert hat sich eine ebenfalls aus vergoldetem Gelbguss bestehende Applik erhalten, die an einer der beiden Seitenfüllungen angebracht war: eine an einer Schleife aufgehängte Lyra mit gekreuzten Metallblasinstrumenten.
Der Vasenfuß (D: ca. 46 cm) setzt auf einer quadratischen Plinthe (H: 6 cm) über der Postamentabdeckung auf. Die hohe, schlanke Vase (H mit Deckel: 162,5 cm, B über die Henkel: 84,5 cm) folgt allgemein antiken Vorbildern von Amphoren. Jedoch enden die beiden seitlichen, weit ausladenden Henkel in nach außen gerollten Voluten, eine von Löwenkopfhenkeln abgewandelte und stark stilisierte Form, die dem Vasenkörper ein sehr elegantes Aussehen gibt. Auch die Vase ist mit vergoldeten Gelbgussapplikationen dekoriert: über dem Fuß umlaufend große stilisierte Palmblätter, darüber zwischen zwei Holzleisten eine vertikale Blattgirlande um einen mittleren Stab und über dem Zifferblatt eine umlaufende größere Lorbeergirlande, ebenfalls zwischen zwei Leisten. Etwa auf Augenhöhe des Betrachters liegt in der oberen Hälfte das Zifferblatt mit Messinglünette. Den oberen Gehäuseabschluss bildet ein – ähnlich wie der Vasenfuß – eingezogener, abnehmbarer Deckel. Als Bekrönung dient ein vergoldeter Pinienzapfen (Aufsatz mit Pinienzapfen: H: 36 cm; D: 43,5 cm). Auf der Gehäuserückseite befindet sich der vom Boden durchgehende Holzschacht für den Gewichtsaufzug.
Ernst Simon (1980, S. 27) berichtet über die Provenienz der Flötenuhr: „Dieses Ziermöbelstück war im Jahre 1910 in der Antiquitätenhandlung Adolf Froelschs, Berlin-Charlottenburg, ausgestellt. Es sollte … ein Geschenk Friedrich Wilhelms II. an einen seiner Hofbaumeister gewesen sein, lauter gedackte Pfeifen enthalten und ein paar Tausend Mark kosten. Demnach hat Heyer die Flötenuhr im Jahre 1910, 1911 oder 1912 dort gekauft.“ Wer der mit der Uhr angeblich beschenkte Hofbaumeister war, ging aus den bislang gesichteten Quellen nicht hervor. Der erwähnte Wilhelm Heyer (1849–1913) war Papierfabrikant und Kunstsammler in Köln, wo er ein Musikhistorisches Museum einrichtete, das 1913 – kurz nach seinem Tod – eröffnet wurde und nur einige Jahre bestand. 1926 kaufte die Universität Leipzig die Sammlung von den Heyer-Erben und präsentierte sie ab 1929 im Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig im Nordflügel des Neuen Grassimuseums.
Die Idee für ein Möbelstück mit einer auf einem Postament stehenden Vase dürfte auf in Stein ausgeführte Parkdekorationen des 18. Jahrhunderts zurückgehen. Klassizistische Vasen in Form antiker Urnen, platziert auf Säulen oder Postamenten, sollten in sentimentalen Landschaftsgärten häufig an Verstorbene erinnern oder allgemein dem ehrenden Andenken an bestimmte Personen dienen. Insofern sind sie Symbole der Zeitlosigkeit und prädestiniert für eine Verbindung mit Uhren. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine der frühesten, für den höfischen Kontext in Berlin geschaffenen astronomischen Flötenuhren von Johann Christian Möllinger: Wilhelmine Ritz, die spätere Gräfin von Lichtenau, hatte sie bei ihm in Auftrag gegeben. Sie platzierte die Uhr im 1790 eingerichteten Gedächtniszimmer für ihren und des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen verstorbenen Sohn Alexander von der Mark (1779-1787) in ihrem Palais unweit des Charlottenburger Schlosses. Auf der Uhr stand eine vasenförmige Gedächtnisurne mit Adlerkopfhenkeln und der griechischen Inschrift Alexander. Unter dem abnehmbaren Deckel befand sich ein Porträt des Kindes (Hagemann, 2007). – Auch wenn ein solch stark persönlicher Memorialcharakter an der Kleemeyer-Uhr in Leipzig nicht erkennbar ist, könnte sie mit ihrem monumentalen Vasenaufsatz doch als Ehrenbezeigung für einen Zeitgenossen gedient haben: Falls die Überlieferung stimmt, dass die Uhr ein Präsent Friedrich Wilhelms II. an einen Hofbaumeister war, käme hier zum Beispiel der Architekt Carl Gotthard Langhans (1732-1808) in Frage. Neben Carl von Gontard (1731-1791) war er für das Potsdamer Marmorpalais des Königs tätig und errang großen Ruhm durch seine Entwürfe für das 1794 fertiggestellte Brandenburger Tor in Berlin. (Silke Kiesant)

Beschriftung/Aufschrift

auf dem Zifferblatt: „C. E. Kleemeyer IN BERLIN“; auf der Rückseite des Zifferblatts: „L B & Cp“; auf dem Walzenträger: eingestanzte Nummer „278.“, darunter: „NO. 4.“

Vergleichsobjekte

weitere Bodenstanduhren mit Flötenwerken von Christian Ernst Kleemeyer, u.a.:
Musikinstrumenten-Museum SIMPK, Inv. Nr. 4901, Christian Ernst Kleemeyer, Bodenstanduhr mit Flötenwerk, um 1800
Rüdesheim, Siegfrieds Mechanisches Musikkabinett

Material/Technik

Kiefer; Mahagoni, furniert; Deckel teilweise Mahagoni, massiv; Gelbguss, vergoldet; Textil; Messing; Stahl; Holz, z.T. Eiche

Maße

Höhe 256 cm, Breite 84,5 cm, Tiefe 62,2 cm

Literatur

  • Fontana, Eszter/Heise, Birgit (1977): Für Aug‘ und Ohren gleich erfreulich. Musikinstrumente aus fünf Jahrhunderten. Musikinstrumentenmuseum Leipzig. Leipzig, S. 72
  • Hagemann, Alfred P. (2007): Wilhelmine von Lichtenau (1753-1820). Von der Mätresse zur Mäzenin. Köln, Weimar, Wien, S. 85
  • Heyde, Herbert (1994): Musikinstrumentenbau in Preußen. Tutzing, S. 326, Abb. S. 327
  • Kiesant, Silke (2013): Prunkuhren am brandenburgisch-preußischen Hof im 18. Jahrhundert. Mit einem Katalog ausgewählter Uhren Friedrichs II. und Friedrich Wilhelms II. von Preußen. Petersberg, S. 327
  • Kinsky, Georg (1913): Kleiner Katalog der Sammlung alter Musikinstrumente. Hrsg. v. Wilhelm Heyer. Musikhistorisches Museum von Wilhelm Heyer in Cöln. Leipzig
  • Maurice, Klaus (1976): Die deutsche Räderuhr. Zur Kunst und Technik des mechanischen Zeitmessers im deutschen Sprachraum. München, Bd. 2, Kat. 980
  • Simon, Ernst (1911-1912): Friedrich der Große und die mechanischen Musikinstrumente. In: Zeitschrift für Instrumentenbau, Vol. XXXII (1911-1912), S. 743-748
  • Simon, Ernst (1980): Mechanische Musikinstrumente früherer Zeiten und ihre Musik. 2. Auflage. Wiesbaden, S. 27
Karte
Hergestellt Hergestellt
1796
Louis Buzat
Berlin
Hergestellt Hergestellt
1796
Christian Ernst Kleemeyer
Berlin
Geistige Schöpfung Geistige Schöpfung
1788
Antonio Salieri
Gekauft Gekauft
1911
Wilhelm Heyer
Köln
Gekauft Gekauft
1926
Universität Leipzig
Leipzig
Verkauft Verkauft
1911
Adolf Froelschs
Berlin
Restauriert Restauriert
1970
Wolfgang Gummelt
Berlin
Restauriert Restauriert
1971
Musikinstrumentemuseum der Universität Leipzig
Leipzig
1787 1973
Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig im Grassi

Objekt aus: Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig im Grassi

Das Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig im Grassi ist ein bedeutender Ort der Musik. Aus der Perspektive des Musikinstrumentenbaus wird...

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