1903 erwarb Museumsdirektor Dr. Richard Graul bei dem Pariser Kunsthändler Bing eine Reihe Asiatika, darunter diese anonyme Henkelflasche. Bing als Großimporteur ostasiatischen Kunsthandwerks, der die Museen Europas belieferte, war von maßgeblichem Einfluß auf die Rezeption der Kunst Japans. Trotz dieser Herkunft bleiben die Angaben zu dem gedrehten Steinzeuggefäß mit der tropfenden Teestaub-Glasur fragwürdig. Weder die Einordnung als Satsuma-Ware – zeitweise Synonym für Ostasienkeramik – noch der angebliche Entstehungsort Kyoto ist zu belegen. Aus der Form, die auf henkellose Vorbilder aus China und Korea weist, ist der Gebrauch nicht zu erkennen. Offenbar lag das Besondere in der neuen, herben Ästhetik der Steinzeugtöpferei, „deren Reize in einer körperlich aufgeschmolzenen farbigen Glasur bestehen, die wie ein dicker Sirup in unregelmäßigen Bahnen an den Gefäßwänden herunterrinnt“, wie Graul 1906 schrieb. War die französische Keramik mit Jean Carriès oder Auguste Delaherche diesem Impuls schon in den 1890er Jahren gefolgt, kam er in Deutschland erst mit der Jahrhundertwende an, so bei Hermann Mutz oder Julius Scharvogel, und wirkte über das Werk Jan Bontjes van Beeks bis in die Studiokeramik nach 1945. (Text: Walter Lokau)
Ankauf von Siegfried Bing, Paris, 1903.
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