Die zwischen 1885 und 1889 entstandene Gruppe der „Bürger von Calais“ zählt zu den eindringlichsten und bekanntesten Werken von Auguste Rodin (1840–1917). Sechs angesehene Bürger der von den Engländern während des Hundertjährigen Krieges belagerten Stadt Calais stellen sich, um die Plünderung und Zerstörung zu verhindern, freiwillig als Geiseln zur Verfügung und überbringen barfuß und mit einem Strick um den Hals dem englischen König, der sie hinrichten lassen will, den Schlüssel der Stadt. Der erste Bronzeguss wurde 1895 in Calais aufgestellt. Auf der Rodin-Schau in Paris 1900 war eine Fassung in Gips zu sehen. Für das Leipziger Kunstgewerbemuseum erwarb Direktor Graul damals eine Bronzereduktion der Figur des Schlüsselträgers Jean d’Aire direkt vom Künstler. Rodin war sehr an der Vervielfältigung seiner Werke interessiert, ob in Teilen, in anderen Größen oder in anderem Material. Mit dem keramischen Metier war er vertraut: es gibt von ihm gefertigte Terrakotten, zudem war er von 1879 bis 1882 in der Porzellanmanufaktur Sèvres tätig. Den Keramiker Paul Jeanneney (1861–1920) autorisierte Rodin 1903 zunächst, die Gesamtfigur des Jean d’Aire sowie den Balzac-Kopf in Steinzeug auszuformen. Wenig später folgte die Büste. Spielt bei den Einzelfiguren und der Gruppe die Körpersprache eine entscheidende Rolle, so fokussiert die Büste alles auf die Mimik des zum Opfergang Entschlossenen.
Erworben aus der Sammlung Giorgio Silzer, Hannover, 2002.