Kisten und Kasten sind im Alltag als Aufbewahrungsorte für wichtige Dokumente, kostbaren Schmuck oder auch wertvolle Arbeitsgeräte und -materialien unentbehrlich. In der traditionellen islamischen Gesellschaft müssen solche Behältnisse in der Vergangenheit noch von besonderer Bedeutung gewesen sein, da man Schränke und andere Möbel nicht kannte. Lediglich Wandnischen boten Ablagemöglichkeiten. Wertvolles erforderte also eine besondere Verwahrung. Auf Miniaturen sind solche Kästchen mehrfach abgebildet. Es lassen sich grundsätzlich zwei Macharten unterscheiden – die aus einer lokalen Tradition hervorgegangenen Konstrukte und jene an europäischen Reisekabinetten orientierten Ausführungen. Hier haben wir die lokale Variante vor uns mit Klappdeckel und vielfältigen ineinander verschachtelten Einsätzen, mit denen die Kabinette, einschließlich Geheimfächern, ausgefüllt waren. Über dem Kabinettboden konnte zumeist noch seitlich ein Schub herausgezogen werden. Daneben gab es eine weitere, aber einfache lokale Variante. Sie besaß kein Innenleben und wurde entweder mit einem Klapp- oder einem Schiebedeckel verschlossen. Selten ist ein Kabinett so reich bemalt worden wie dieses. Im Stil lehnt es sich an die höfische Malerei der frühqadscharischen Zeit an, weist jedoch auch noch Bezüge zur vorqadscharischen Malerei des ausgehenden 18. Jahrhunderts auf. Szenen aus dem Schahname und Episoden aus den Liebesgeschichten von Chosrau und Schirin sowie von Jusuf und Zulaika, aber auch Darstellungen aus dem höfischen Leben bedecken die Oberflächen und zeugen vom Phantasiereichtum ihres Schöpfers. (Text: Reingard Neumann)
Schenkung von Ph. Walter Schulz, Berlin, 1907. 1898 in Isfahan erworben.