Der Heilige Sebastian gehört zu einem Zyklus von fünf Heiligenfiguren (Rochus, Sebastian, Georg, Christophorus und eine Papstfigur), die 1921 auf dem Dachboden der Irfersgrüner Kirche entdeckt wurden. Die Altarfiguren aus Irfersgrün sind charaktervolle Werke, die sehr detailgetreu und lebensecht bemalt (gefasst) sind. Der Bildschnitzer Leonhard Beyer, genannt Herrgott, führte bis zur Reformation eine auftragsstarke Werkstatt in Zwickau. Zahlreiche seiner Arbeiten haben sich in unserer Region erhalten. Herrgotts Schaffen ist durch eine derbe, »knorrige« Handschrift gekennzeichnet und zeigt Einflüsse spätgotischer Meister wie Hans Witten und Peter Breuer.
Der Heilige Sebastian, Offizier der Garde Kaiser Diokletians, erlitt am Ende des 3. Jahrhunderts wegen seines christlichen Glaubens sein Martyrium: An einen Baum gebunden wurde er mit Pfeilen beschossen. Diese Qual überlebte er, gesund gepflegt von Irene, der Witwe eines anderen christlichen Märtyrers. Als Sebastian den Kaiser kurz danach wegen der Christenverfolgung zur Rede stellte, wurde er totgeschlagen und sein Leichnam in die cloaca maxima in Rom geworfen. Der Körper wurde von einer Christin geborgen und in den Katakomben beigesetzt. In der bildenden Kunst des Mittelalters wird er überwiegend als nackter, nur mit einem Lendentuch bekleideter junger Mann dargestellt, an den Baum gefesselt. Der mit Wunden übersäte, magere Körper des Märtyrers weist Übereinstimmungen mit dem Bildmotiv von Christus an der Geißelsäule auf.
Vom ursprünglichen Aussehen des Altars haben sich keine Berichte oder Ansichten erhalten. Doch im Museum kann der ursprüngliche Altarzusammenhang rekonstruiert werden, vorausgesetzt der Zyklus ist mit den fünf männlichen Heiligen vollständig: Im Zentrum des Schreins war demnach nicht wie damals üblich eine Marienfigur aufgestellt, sondern der Heilige Papst – eine Besonderheit der kleinen Irfersgrüner Dorfkirche! Rechts und links der Mittelfigur befanden sich Rochus und Sebastian sowie in den Altarflügeln Georg und Christophorus. Diese beiden Heiligen sind im Unterschied zu den anderen in flachem Relief ausgeführt, was typisch für Figuren ist, die in den Altarflügeln platziert sind. Für die Zwickauer spielten vor allem Heilige eine Rolle, die als Schutzpatrone ihrer Berufsgruppen angerufen werden konnten. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts war der Erz- und Silberbergbau die Lebensgrundlage vieler Menschen der Region. Als wichtige Schutzheilige galten daher die Bergbaupatrone Barbara und Anna. Sie sollten den Bergmann vor Steinschlag schützen, für reiche Ausbeute sorgen und ihm eine sichere Wiederkehr verschaffen. Der Heilige Christophorus diente unter anderem als Schutzherr der Gärten und Felder und der Heilige Georg wurde zur Abwehr von Viehseuchen angerufen. Doch die meisten Heiligen hatten nicht nur Patronate für bestimmte Berufsgruppen inne, sondern wurden auch als Fürbitter im Krankheits- und Sterbefall verehrt, wie zum Beispiel die beiden Pestheiligen Sebastian und Rochus.